Lässt man das letzte Jahr noch einmal Revue passieren und denkt darüber nach, welche Bands aus dem Nichts kamen und einen bleibenden Eindruck hinterließen, so fällt alsbald auch der Name Billy Talent. Die vier Jungspunde aus Streetsville, Ontario, Kanada legten mit ihrem selbstbetitelten Major-Debütalbum ein Brett von einem Album hin, das mit ordentlich Druck, viel Melodie und tightem Zusammenspiel allerortens offene Münder hinterließ. Zwölf Songs = zwölf Hits, so einfach ging die Rechnung auf.
Doch wer verbirgt sich hinter dem seltsamen Bandnamen? Da wären einmal der Sänger und Bühnenderwisch Benjamin Kowalewicz, der durch extravagante Frisuren auffallende, indisch-stämmige Gitarrero Ian D´Sa, Jon Gallant, der Riese am Bass sowie mit Drummer Aaron Solowoniuk der Ruhepol der Band. Anlässlich ihrer Support-Show für die Beatsteaks in der Kölner Live Music Hall am 29.03.2004 trafen wir Sänger Ben, um ein wenig zu plaudern. Im Gespräch mit purerock.de gab sich der auf der Bühne von allen guten Geistern verlassene Frontmann ruhiger (wenn auch immer noch hibbelig) und betont höflich, fast schon übertrieben freundlich.
Wie ist die Tour mit den Beatsteaks aus eurer Sicht bisher verlaufen?
Ben: Einfach wunderbar. Die Beatsteaks sind die nettesten Jungs, die wir seit langer Zeit getroffen haben. Das sind nicht nur gute Musiker, sondern auch gute Menschen. Es macht einfach Spaß, mit ihnen zu touren.
Wie ist es dazu gekommen, dass das Doppelgespann Beatsteaks/Billy Talent jetzt in deutschen Clubs spielt?
Ben: Wir haben einige Shows in Hamburg gespielt, im Molotov, einem ziemlich kleinen Club. Einige Mitglieder der Beatsteaks waren auch da und offensichtlich hat ihnen die Show gefallen. So gegen Weihnachten habe ich dann eine CD von ihnen geschickt bekommen, die mir auch wirklich gut gefallen hat. Dann hat es einfach weiter ganz natürlich entwickelt.
In der Tat passt das deutsch-kanadische Doppelgespann Beat/Billy gut zusammen. Hier wie da sympathische junge Menschen, die auf der Bühne alles geben und sich durch ihre energiegeladenen Liveshows mittlerweile einen Status als hervorragende Livebands erarbeitet haben.
Die Beatsteaks haben uns im Interview verraten, das ihr eine gemeinsame Tour in eurer Heimat Kanada plant.
Ben: Oh ja! Das würden wir wirklich gerne machen. Wir sind in Kanada ziemlich erfolgreich und haben somit jetzt die Chance, anderen Bands unter die Arme zu greifen, die dort erst noch Fuß fassen müssen. Bei den Beatsteaks ist es ja ein gegenseitiges Geben und Nehmen: Sie haben es uns ermöglicht, hier in Deutschland vor einem großen Publikum spielen zu können, also ist es nur fair, wenn ihnen das gleiche in Kanada wiederfährt.
Gibt es für die Tour schon ganz konkrete Pläne oder ist es bisher nicht viel mehr als eine Idee?
Ben: Nein, bisher ist es nur eine Idee, aber ich bin zuversichtlich, dass es klappen wird.
Ihr spielt im Rahmen eurer Beatsteaks-Support-Tour auch einige Headliner-Termine, richtig?
Ben: Ja, richtig. Wir haben bisher in München, Hamburg und Frankfurt gespielt und es war einfach cool. Morgen spielen wir dann noch in Stuttgart als Headliner, das wird sicher großartig.
Besonders erstaunlich am Siegeszug des letzten Billy Talent-Albums war, dass auch die sonst so kritische Fachpresse das Werk mit ausschließlich guten Kritiken geradezu überschwemmte. Billy Talent, die Kritikerlieblinge?
Über euer letztes Album konnte man in der Fachpresse ja fast nur Gutes vernehmen. Nehmt ihr das überhaupt wahr oder interessiert euch das gar nicht?
Ben: Nein, das interessiert uns nicht wirklich. Gute Kritiken sind schön, schlechte Kritiken machen uns aber auch nichts aus. Wenn du versuchst, dein Leben oder deine Kunst nach dem zu richten, was andere Leute sagen, wirst du nicht glücklich und mit dem Ergebnis nicht zufrieden sein. Wenn du selbst mit deiner Musik zufrieden bist, ist es unwichtig, was alle Kritiker der Welt sagen.
Euer letztes, selbstbetiteltes Album war das Erste, was weltweit veröffentlicht wurde, aber ihr habt auch schon vorher eine Platte gemacht...
Ben: Ja, wir haben unter dem Namen Pezz ein Independent-Album namens Watoosh veröffentlicht. Außerdem haben wir mit Billy Talent vor dem Album-Release eine 4-Track-EP gemacht. Das letzte Album ist unsere erste, große Major-Veröffentlichung.
Die Songs, die ihr unter dem Namen Pezz eingespielt habt, sollen sich sehr von eurem heutigen Stil unterscheiden. Es heißt, ihr hättet acht minütige Progrock-Brocken geschaffen...
Ben: Ja. [lacht]
Es ist leicht ersichtlich, dass Ben nicht besonders gerne über die alten Tage spricht, als Billy Talent noch unter dem Namen Pezz ihre Shows spielten. Nun ja - er ist ja auch hier, um Billy Talent zu promoten. Denn auch wenn seine Band in Deutschland als Geheimtip gehandelt wird, dem Status und dem kommerziellen Erfolg in ihrem Heimatland Kanada sind Billy Talent hierzulande noch fern.
Was gab denn letztlich den Impuls zum Stilwechsel, von Pezz zu den heutigen Billy Talent?
Ben: Wir sind einfach erwachsener geworden. Außerdem arbeiten wir jetzt songorientierter. Es muss einfach etwas herüberkommen und das tat es bei unseren frühen, ausufernden Songs nicht immer. Wir haben unser Songwriting einfach verbessert und uns auf das konzentriert, was ich die Komplexität der Vereinfachung nennen will - wenn das irgendeinen Sinn macht. Die neuen Songs sind einfach kompakter und kommen schnell zum Punkt, ohne noch irgendwelchen Ballast oder Bullshit mit sich herumzuschleppen.
Wie kommt es, dass ihr euer erstes richtiges Album direkt auf einem Major-Label veröffenlichen konntet?
Ben: Naja, einige Major-Labels sind durch unsere EP auf uns aufmerksam geworden. Es ging alles verdammt schnell und ehe wir uns versahen, wurden wir nach New York und Los Angeles geflogen, um die Platte aufzunehmen. Wir spielen in dieser Formation aber schon seit zehn Jahren, also kann man vom schnellen Erfolg kaum reden.
Ja eben, stört es euch nicht, dass die meisten Leute euch vermutlich für einen Übernacht-Erfolg halten, obwohl ihr schon so lange zusammen Musik macht?
Ben: Ja, das ist schon irgendwie irrsinnig, dabei spielen wir schon seit einer halben Ewigkeit zusammen.
Ben wird nicht müde, es zu erwähnen, aber es stimmt: Als overnight success kann man Billy Talent nach einer zehnjährigen Bandhistorie wohl kaum noch bezeichnen. Es ist wohl auch kaum zu befürchten, dass der Mann mal abhebt. Jedenfalls schaut er sich später in der Live Music Hall die Show der Beatsteaks aus dem Publikum an und ist auch nach dem Konzert um Fankontakt bemüht.
Hat euch der plötzliche Erfolg dann nicht völlig überrumpelt?
Ben: Wir sind sehr glücklich über die Aufmerksamkeit, die uns jetzt zuteil wird. Gerade in diesen harten Zeiten für die Musik-Industrie können wir froh darüber sein, dass wir so viele tolle Shows mit tollen Bands spielen können. Es ist einfach ein Traum wahrgeworden, wir wollten schon immer eine Platte veröffentlichen und dann überall in der Welt spielen.
Ihr seid bei den kanadischen Juno-Awards für vier Trophäen nominiert worden. Ehrt euch das oder interessieren euch Preisverleihungen dieser Art nicht?
Ben: Das ist wirklich seltsam, die Juno Awards sind das kanadische Pendant zu den amerikanischen Grammys. Wir finden solche Preisverleihungen eigentlich ziemlich blöd und gucken sie uns auch normalerweise gar nicht an. Aber jetzt, da wir nominiert sind, fühlen wir uns schon irgendwie geehrt. Es ist schön, wenn du in deinem Heimtland diese Form der Anerkennung erfährst.
Warum habt ihr euer letztes Album von Gavin Brown produzieren lassen?
Ben: Gavin Brown hat es vollbracht, unsere Musik zu verstehen und die Chemie zwischen uns hat einfach gestimmt. Er wollte uns nichts vorschreiben, sondern hat mit seinen Ideen die Songs sogar noch bereichert.
Habt ihr schon schlechte Erfahrungen mit Produzenten gemacht?
Ben: Ja, denn die meisten Produzenten sind komplette Arschlöcher, die sich selbst profilieren wollen und sich für Gott halten. Wir haben weder Zeit noch Respekt für solche Leute. Es gibt glaube ich überhaupt nur eine handvoll Produzenten, mit denen ich gerne mal zusammenarbeiten würde. Vermutlich werden wir auch unser nächstes Album wieder mit Gavin aufnehmen.
Das Erfolgsrezept des selbstbetitelten Albums von Billy Talent ist wohl, dass man kaum zu definieren in der Lage ist, was genau in diesen 40 Minuten eigentlich passiert. Ist das jetzt Metal, Punk, Hardcore oder Pop? Die Kanadier haben es geschafft, aus diesen Zutaten ihr eigenes, unverkennbares Süppchen zu kochen.
Ihr spielt einen ziemlich eigenwilligen Mix aus verschiedenen Musikrichtungen. Deswegen würde es mich interessieren, wer euch musikalisch inspiriert, kannst du eure größten Einflüsse nennen?
Ben: Oh, ich mag wirklich ziemlich viel Zeugs. Ob Jazz, Ska oder Reggae, von David Bowie über Jane´s Addiction, Rolling Stones, The Clash, At The Drive-In, Refused und Anni Di Franco. Auch Hip Hop interessiert mich, Public Enemy oder NWA zum Beispiel. Ich bin wohl ein ziemlich eklizistischer Musikliebhaber. [grinst] Man sollte sich auch nicht selbst limitieren.
Der Text zu eurer ersten Single 'Try Honesty' klingt ziemlich bitter. Worum geht es in dem Song?
Ben: In 'Try Honesty' geht es um eine Freundin, mit der ich aufgewachsen bin. Viele Dinge in ihrem Leben sind ziemlich schiefgelaufen, aber sie machte immer andere Leute dafür verantwortlich. Mal waren die Eltern schuld, mal die Schule, mal ihr Freund, mal ich. Mit dem Song will ich ausdrücken, dass man die Verantwortung für sein Schicksal in die eigenen Hände nehmen und so weit wie möglich kontrollieren sollte. Wenn du ein ehrlicher, guter Mensch bist, hast du einige Probleme weniger.
So leicht und unbeschwert sich Ben im Interview gibt, so nachdenklich sind seine Texte. Mal geht es um die plötzliche Erkankung eines Freundes an multipler Sklerose, mal um Prostitution, mal um Gewalt als Mittel zum Zweck - alles keine einfachen Themen.
Deine Texte beschäftigten sich mit ziemlich ernsten Themen und muten manchmal fast düster und depressiv an.
Ben: [lacht] Hm ja, da magst du Recht haben.
Warum glaubst du, ist dem so?
Ben: Ich weiß es nicht genau, ich schreibe einfach solche Texte. Ich versuche auch immer, ein Element der Hoffnung in den Texten zu beinhalten, etwas, an dem man sich festhalten kann. Ich will nicht, dass jemand wegen meiner Texte deprimiert wird. Alles geht vorbei, auch schlechte Phasen in deinem Leben. Es gibt immer ein Licht am Ende des Tunnels.
In deinen Texten schreibst du oft über das Schicksal anderer Personen. Gibt es auch autobiographische Elemente in deinen Lyrics?
Ben: Das bin alles ich. Ich lebe durch diese andere Personen. [grinst]
Aber du willst nicht mehr von deiner Persönlichkeit preisgeben.
Ben: Weißt du, ich glaube, ich gebe auch so schon viel von mir preis.
Ben entschuldigt sich für ein paar Minuten und gibt, wie vorher schon angekündigt, per Telefon ein kurzes Interview mit einem kanadischen Radiosender. Das mag teuer sein, aber diese Promotion bezahlt das Major-Label natürlich gerne. Das Interview lässt sich leicht verfolgen, denn Ben schreit nicht nur auf der Bühne, sondern redet auch im Gespräch in überdurchschnittlich hoher Lautstärke.
Im Vorhof der Live Music Hall ist es noch ziemlich ruhig, einige Roadies schuften und schleppen Equipment durch die Gegend, Promotion-, Label- und Manager-Leute finden sich wichtig und Drummer Aaron kommt aus dem Bus heraus und ist ein wenig verschlafen. Wir haben ja auch erst viertel vor Vier. Natürlich hat er einen Discman auf den Ohren, ohne Musik geht´s halt nicht. Dann kommt Ben zurück, bringt Aaron kurzerhand mit zum Interviewtisch und macht uns bekannt. Auch Aaron ist höflich, aber das war´s dann wohl auch schon mit den Gemeinsamkeiten. Im Gegensatz zum hyperaktiven Spokesman Ben ist Aaron die Ruhe in Person und wird im Verlaufe des Interviews die meiste Zeit Ben das Reden überlassen.
Wann und wie genau habt ihr mit der Band angefangen? Erzähl mal etwas aus euren Anfangstagen.
Ben: Wir haben uns durch die Musik kennengelernt, da waren wir alle siebzehn oder achtzehn Jahre alt. Das ist jetzt zehn Jahre her, wir kennen uns jetzt also schon sehr lange.
Ich habe gehört, dass ihr früher in verschiedenen Bands gespielt habt.
Ben: Ja, ich war schon damals in einer Band mit unserem Drummer Aaron und unserem Bassisten Jon. Dann haben wir eines Tages unseren heutigen Gitarristen Ian in seiner damaligen Band gesehen, die sich damals im gleichen Umfeld herumtrieben. Wir waren alle nicht ganz zufrieden mit unseren damaligen Bands und haben Ian deshalb gefragt, ob wir uns nicht zu einer neuen Band zusammentun sollen. Seitdem spielen wir in dieser Formation.
Wie wächst man in einer kanadischen Kleinstadt auf?
Ben: Genauso wie in jeder anderen Kleinstadt. Dabei war unsere Heimatstadt nicht mal unbedingt eine Kleinstadt, wir hatten immerhin 500.000 Einwohner. Aber für kanadische Verhältnisse ist das immer noch ziemlich klein und wir wuchsen dort wie in einem Vorort auf. Es war üblich, dieses typische Suburb-Leben über sich ergehen zu lassen: Du musst perfekt aussehen und dich perfekt verhalten, geh zur Schule, such dir eine Freundin, geh auf´s College, heirate! Wir haben nie wirklich in diesen vorgegebenen Lebensplan hereingepasst, damit konnten wir uns nicht anfreunden. Aber wir hatten auch sehr schöne Zeiten, es gab in Streetsville eine florierende Musikszene. Es hat Spaß gemacht, Teil dieser Szene zu sein.
Wo wir gerade schon von Szenen sprechen: Fühlt ihr euch einem bestimmten musikalischen Lager zugehörig? Seid ihr Teil einer Szene?
Ben: Nein, gar nicht. Wir spielten früher bei Punks-Shows, aber auch bei Ska-, Hardcore- und Rock-Shows. Wir haben einfach überall und mit jedem gespielt, der uns wollte. Aber bis zum heutigen Tage passen wir musikalisch nicht in eine bestimmte Szene und fühlen uns auch keiner Szene zugehörig.
Stimmt es eigentlich, dass euer Gitarrist Ian ein sehr guter Zeichner ist?
Ben: Ja, er hatte sich sogar für eine der größten und besten Kunstschulen Nordamerikas qualifiziert, bevor es mit der Band richtig losgegangen ist.
Und er hat für die Band alles aufgegeben?
Ben: Ja. Bilder zeichnen ist ja auch langweilig. [lacht]
Wer ist eigentlich Ians Friseur?
Ben: [lacht] Das macht er selbst. Ganz ehrlich.
Du wirst desöfteren wegen deiner Stimme und auch wegen deines Aussehens mit Dennis Lyxzen verglichen, dem Sänger von Refused und der International Noise Conspiracy. Ist das ein Kompliment für dich?
Ben: Oh, wow! Ehrlich? Das habe ich bisher selten gehört. Ich mag Dennis und gerade Refused sehr gerne, deswegen ehrt mich das natürlich.
Was hälst du von der International Noise Conspiracy?
Ben: Mag ich gerne, wenn auch nicht so gerne wie Refused. Ich finde es sehr interessant, in welche Richtung sich Dennis entwickelt hat.
Hast du schon von The Lost Patrol gehört, seinem akustischen Soloprojekt?
Ben: Nein, das wusste ich nicht. Ich denke, das werde ich mir mal anhören müssen. Dennis ist ein sehr talentierter und hart arbeitender Mann. Gerade letzteres sieht man heutzutage nicht mehr oft.
Habt ihr schon Pläne bezüglich eines neuen Albums?
Ben: Wir denken darüber nach, im Oktober oder November mit den Aufnahmen zur neuen Platte zu beginnen. Aber das müssen wir mit unseren Tourplänen koordinieren. Wir touren schon seit letztem April, also seit ziemlich genau einem Jahr, und werden das jetzt auch noch einige Monate fortsetzen. Danach werden wir weitersehen müssen.
Also darf man vor nächstem Jahr nichts erwarten?
Ben: Nein, wahrscheinlich nicht.
Bei der folgenden Frage wird dann auch Drummer Aaron ein wenig wacher, kein Wunder, ist er doch der Hauptbeteiligte am Sachverhalt:
Ich habe von einer verrückten Sache gehört, die euch im Februar bei einer Show in Edmonton passiert ist.
Ben: Oh ja. Das war die verrückteste Sache, die uns je auf einer Tour passiert ist. Mein Mikro hatte den Geist aufgegeben und da ich auf der Bühne immer ziemlich außer Rand und Band gerate, schmiss ich meinen Mikrofonständer in Aarons Bassdrum, das Ding wiegt etwa 15 Pfund. Leider wurde Aaron dabei am Kopf getroffen und fiel sofort um. Er musste ins Krankenhaus und wurde dort mit 18 Stichen genäht.
Aaron: Ich kann mich an nichts erinnern. [lacht]
Gibt es irgend etwas besseres in der Welt als eine Liveshow?
Ben: Nein. Für mich nicht. Es gibt nichts, was ich lieber tue, als auf der Bühne zu stehen und zu rocken. Es ist auch besser als Sex. Aber ich bin auch nicht besonders gut beim Sex. [lacht]
Beschreibe eine typische Billy Talent-Liveshow!
Ben: Hmm...intensiv, aber spaßig. Wir hassen diese hirnlosen Schläger im Publikum, die keine Rücksicht auf die anderen Leute nehmen. Aber wir wollen, dass die Leute ausflippen, abgehen und dabei nicht den Respekt vor den anderen Konzertbesuchern verlieren. Wir wollen nicht, dass die Besucher unseres Konzertes verletzt werden.
Später, als Billy Talent vor 1500 Leuten den Support für die Beatsteaks geben, wird Ben beweisen, dass er seinen Worten auch Taten folgen lässt: Als ein paar Rambos in den vorderen Reihen es zu wild und ohne Rücksicht treiben, werden sie von Ben zur Züchtigung ermahnt.
Innerhalb eures Live-Sets spielt ihr häufig eine Coverversion des Fugazi-Songs 'Waiting Room'. Ich frage mich, ob Fugazi auch Pate standen für die vielen gemeinsamen Shoutings, Sing-A-Longs und Harmoniegesänge zwischen dir und Ian?
Ben: Ja, auf jeden Fall. Ian ist ein riesengroßer Fugazi-Fan und auch wir restlichen Drei finden die Band gut. Ich mag Fugazi gerade deswegen besonders gerne, weil sie diese großen Melodien über ihr cooles musikalisches Fundament stellen. Die Melodie ist einfach alles, weißt du? Die Melodie...
...macht den Song.
Ben: Genau! Jeder große Song Musikgeschichte basiert auf einer guten Melodie.
Gibt es gewisse Rituale, die ihr vor euren Liveshows zelebriert?
Ben: Nicht wirklich. Wir trinken nur Bier, reden ein wenig und gehen dann auf die Bühne, das ist auch schon alles. [lacht]
Spielt ihr lieber als Headliner vor weniger Leuten oder als Support für ein größeres Publikum? Ihr habt ja jetzt während eurer Tour mit den Beatsteaks sicher schon beide Extreme erlebt.
Ben: Ich halte beides für gleichsam lohnenswert. Wenn wir morgen in Stuttgart vor ein paar Hundert Leuten spielen und eine gute Zeit haben, ist das total super. Aber auch Support-Shows für größere Bands wie die heutige sind wichtig, weil wir so die Chance haben, in größeren Hallen für ein großes Publikum zu spielen, das uns eventuell gar nicht kennt. Das hat auch seinen Reiz.
Stimmt es eigentlich, dass ihr mal vor Busta Rhymes gespielt habt?
Ben: Nein, das stimmt nicht ganz: Wir haben für David Bowie eröffnet. Eigentlich sollte dort Busta spielen, aber er hatte Probleme, über die Grenze zu kommen. An seiner Stelle haben dann wir gespielt.
Wie kam es denn zu diesem verrückten Line-Up?
Ben: Das Ganze war beim Area 2-Festival, das Moby veranstaltet. Dort spielten unter anderem Moby selbst, David Bowie, Ash, die Blue Man Group, verschiedene DJs haben aufgelegt - und wir waren auch dabei.
Könnt ihr mitterweile von der Musik leben?
Ben: Mittlerweile kommen wir so knapp über die Runden und wenn ich knapp sage, dann meine ich das auch. Aber mehr brauchen wir ja gar nicht, das ist toll.
Was war denn der mieseste Job, den du jemals erledigt hast?
Ben: Ich habe einmal septische Tanks in einem Flugzeug geleert.
Septische Tanks?
Ben: Toiletten. Flugzeug-Toiletten.
Aaron: Schaise.
Ben: Yeah, emptying Scheiße.
Warum habt ihr euch euren Bandnamen beim Film "Hardcore Logo" ausgeborgt?
Ben: Ehrlich gesagt fand ich den Film, der übrigens auf einem Buch basiert, ziemlich cool. Der Hauptgrund ist aber wohl, dass der Typ, der die Rolle des Billy Talent gespielt hat, mein kanadischer Lieblingsschauspieler ist. Das ist eigentlich alles.
Was war der verrückteste Vergleich, den ihr auf eure Musik bezogen gehört habt?
Ben: Eben hat mir so ein Typ gesagt, dass ich wie Dennis von Refused klinge. [lacht]
Naja, das tust du auch manchmal.
Ben: Danke, das sehe ich auch wie schon gesagt als Kompliment. Es wurden aber schon einige verrückte Vergleiche gezogen, die ich nicht nachvollziehen kann. Uns hat zum Beispiel schon mal jemand erzählt, dass wir wie The Cure klingen.
Aaron: Oder wie Faith No More.
Ben: Genau, das war auch nicht schlecht. Oder At The Drive-In. Bei diesen Bands schmeichelt uns das aber natürlich.
Letzte Frage: Was ist die langweiligste Frage, die man dir stellen kann?
Ben: Diese! [lacht]
Sagt´s schelmisch und grinst.
Billy Talent werden später vom Publikum gefeiert. Nicht wie eine Vorband, nein, wie ein Headliner. Und die Show ist auch verdammt gut. Druckvoll, aufbrausend, energetisch, härter als aus der Konserve. Das Publikum dankt es mit großem Applaus und Stagedivern schon nach dem vierten Song. Bei der Vorband, wohlgemerkt. Billy Talent bedanken sich bei den Beatsteaks, bringen ihren etwas abgedroschenen "We´re not american, so you can like us"-Standardspruch und verabschieden sich nach 40 Minuten. Genau wie auf der Platte.
Ich freue mich jedenfalls schon auf die nächste Billy Talent-Liveshow. Es ist kaum anzunehmen, dass sie diese als Support spielen werden.
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